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Warum eine Klinikpartnerschaft?

Die Klinikpartnerschaft ermöglicht seit 2006 einen unmittelbaren kollegialen Austausch über diagnostische und therapeutische Möglichkeiten in der stationären Versorgung von Menschen mit HIV und AIDS. Neben regelmäßigen Hospitationen und Assessments in beiden Kliniken werden zukünftig Befunde und Behandlungsstrategien auf einer Telematik-Plattform online diskutiert werden.

Bereits seit 2002 werden von Berlin aus Fortbildungen in Osteuropa, und speziell in der Ukraine, zur Diagnostik, Therapie und Pflege bei HIV, bzw. AIDS-Erkrankungen durchgeführt. Für die Organisation und die Durchführung der meisten Berliner Fortbildungen ist eine Gruppe von Menschen verantwortlich, die aus dem Umfeld der Klinik für Innere Medizin - Infektiologie / Gastroenterologie des AVKs und deren Immunologischer Tagesklinik kommen.

In Folge der Reflexionen der bisherigen Projektarbeiten entschied sich die Gruppe, zusätzlich ein langfristiges Partnerschaftsprojekt mit einer konkreten Institution aufzubauen. Denn aufgrund der zeitlichen Begrenzung der Fortbildungen (ca. eine Woche oder Wochenendveranstaltungen), ist es schwer nachzuvollziehen, ob oder wieweit das Wissen unter den örtlichen Bedingungen umgesetzt werden kann, d.h. inwieweit nachhaltige Effekte erzielt werden.

Den Kontakt zwischen dem AVK und dem AIDS-Zentrum Donetsk stellte der Berliner Journalist und Dokumentarfilmer Karsten Hein 2005 her, nachdem er das AIDS-Zentrum während einer Recherche kennen gelernt hatte.

Ziele der Klinikpartnerschaft

Im Januar 2006 besuchten Priv.Doz. Dr. Keikawus Arastéh, Inge Banczyk und Susann Kowol aus dem AVK das erste Mal das AIDS-Zentrum Donetsk und vereinbarten mit dem Leiter Nikolai Grashdanow eine Kooperation zur kollegialen Unterstützung des AIDS-Zentrums, hauptsächlich durch einen kontinuierlichen Wissenstransfer über Diagnostik und Therapie sowie über Pflege von Menschen mit HIV/AIDS. Vereinbart wurden:

Fortbildungen in Diagnostik und Therapie
Anhand der in Donetsk verfügbaren Ressourcen werden die ÄrztInnen auf dem Gebiet der Diagnostik und Therapie von opportunistischen Erkrankungen weitergebildet.

Durch die Fortbildung soll eine Qualifizierung der ÄrztInnen erreicht werden, die auf ihren Ressourcen und Stärken aufbaut.

Fortbildung in Pflege/Palliative Pflege
Weiteres gleichsam wichtiges Ziel ist der Wissenstransfer zwischen dem Pflegepersonal der beiden Zentren über die spezielle Pflege und die Palliative Pflege von Menschen mit HIV und AIDS.

Multiplikation in Donetsk
Die Donetsker KollegInnen, d.h. die Zielgruppe der Klinikpartnerschaft, arbeiten entweder in der Poliklinik des AIDS-Zentrums in der Stadt Donetsk oder auf der neuen AIDS-Station. Das in den Hospitationen erworbene Wissen wird anschließend an beiden Orten weitergeben.

Telematik-Plattform
Um einen regelmäßigen Wissensaustausch zu ermöglichen ist eine zweisprachige Kommunikationsplattform geplant. Dadurch können zwischen den Zentren Befunde und Fragen zur Behandlung und Pflege online diskutiert werden.

Umsetzung der Klinikpartnerschaft

Die Ziele und Projektschritte der Partnerschaft richten sich vor allem nach dem Bedarf in Donetsk. In regelmäßigen Teamtreffen wird über die Entwicklung der Klinikpartnerschaft reflektiert und diskutiert, so dass die Umsetzung einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess unterliegt. Obersten Stellenwert hat selbstverständlich die Einbindung der ukrainischen KollegInnen in die Entwicklung und Umsetzung der Partnerschaftsziele.


Fortbildung Oberbauch-Sonografie

Hospitationen
Die Fortbildungen werden in Berlin als mehrwöchige Hospitationen umgesetzt. Je nach Schwerpunkt hospitieren jeweils ein Angestellter oder eine Angestellte des AIDS-Zentrums (Arzt/Ärztin oder Pflegefachkraft) mithilfe eines Dolmetschers auf den Stationen der Klinik für Innere Medizin - Gastroenterologie / Infektiologie sowie in weiteren AIDS-versorgenden Abteilungen des AVKs. Darüber hinaus finden Gespräche mit anderen Versorgungseinrichtungen in Berlin statt. Anschließend wird das Wissen von den HospitantInnen im AIDS-Zentrum in Dontesk weitervermittelt. Siehe auch das Fotoalbum: Hospitationen in Berlin.

Website und Telematik-Plattform
Das Internetportal www.aids-ukraine.org bietet Hintergrundinformationen zur Situation der HIV-Epidemie in der Ukraine und gewährleistet die Transparenz der verschiedenen Projekte. Eine interne Kommunikationsplattform für die KollegInnen im AVK und im AIDS-Zentrum wird zukünftig einen zeitnahen Austausch zwischen den Zentren zu ermöglichen. Das soll und kann aber nicht den regelmäßigen persönlichen Kontakt ersetzen.


Besuch der Tuberkuloseklinik in Donetsk

Assessment-Besuche
Das AIDS-Zentrum Donetsk wird in regelmäßigen Abständen besucht (mindestens alle sechs Monate und bei Bedarf). Die Besuche bilden eine Grundlage, um die Ausbildungsschwerpunkte der Fortbildungen unter den in Donetsk bestehenden Bedingungen zu spezifizieren und um die bisherigen Entwicklungen zu besprechen, z.B. inwieweit das in Berlin erworbenen Wissen unter den örtlichen Bedingungen angewendet und multipliziert werden kann. Da es sich um zwei historisch sehr unterschiedlich gewachsene Gesundheitssysteme handelt, deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Projektkonzeption berücksichtigt werden müssen, ist es durch die Assessments möglich, die (sub-)nationalen HIV-Versorgungsstrukturen besser kennenzulernen wie auch die Arbeitsbedingungen der ukrainischen KollegInnen. Dazu auch das Fotoalbum: Besuche in Donetsk.

Projektstrukturen

Die Fortbildungen werden von einer interdisziplinär besetzten Gruppe in Berlin organisiert und durchgeführt. Die Kommunikation erfolgt mithilfe deutsch - russischer bzw. ukrainischer ÜbersetzerInnen in Berlin und Donetsk.

Das Berliner Team arbeitet mit nationalen und internationalen Organisationen zusammen, wie z.B. mit der Berliner Aidshilfe e.V., mit dem Felix Pflegeteam gGmbH, mit dem Hospizdienst Tauwerk e.V., mit diversen Berliner HIV-Schwerpunktpraxen, mit dem BMG und der gtz und mit der WHO.

Das Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum
Die meisten Teammitglieder kommen aus dem Umfeld des AVKs. Seit 1985 werden in der Klinik für Innere Medizin - Infektiologie / Gastroenterologie und seit 1992 in deren Immunologischen Tagesklinik Menschen mit HIV und AIDS behandelt. Aufgrund der langjährigen Erfahrungen in der Behandlung und Pflege von Menschen mit HIV und AIDS wurden von den ÄrztInnen im AVK eigene Therapieleitlinien entwickelt und ein großer Fundus an Bildmaterial zu opportunistischen Erkrankungen angelegt. Dieses Wissen und das Material werden den ukrainischen KollegInnen zur Verfügung gestellt.


Erster Besuch in Donetsk - Poliklinik Januar 2006

Das AIDS-Zentrum Donetsk
Das AIDS-Zentrum Donetsk wurde Mitte der 1990er Jahre eröffnet. Bereits damals zählte der Oblast (Bezirk) Donetsk zu den mit am schwersten von der HIV-Epidemie betroffenen Regionen in der Ukraine (im Bezirk leben 4.8 Millionen Menschen, davon sind ca. 250.000 HIV-positiv). Es ist eines der ältesten staatlichen AIDS-Zentren der Ukraine, seit Beginn bestehend aus einer Poliklinik, einer epidemiologischen Abteilung und einem Zentrallabor. 2007 erweiterte das AIDS-Zentrum sein Versorgungsangebot um eine eigene AIDS-Station. Mehr Informationen zum AIDS-Zentrum Donetsk...


AIDS-Station des AIDS-Zentrum Donetsk

Die AIDS-Station des AIDS-Zentrum Donetsk
Die AIDS-Station befindet sie sich ca. 20 - 30 km außerhalb der Stadt, auf dem Gelände einer Psychiatrie. Auf zwei Etagen können bis zu 60 PatientInnen versorgt werden.
Der Ausbau wurde vor allem durch den Globalen Fond zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria finanziert sowie in Teilen vom ukrainischen Gesundheitsministerium. Es ist die erste AIDS-Station in dem ostukrainischen Bezirk. Dem dortigen Gesundheitspersonal fehlt es dementsprechend an Erfahrungen in der stationären Versorgung. Auch sind die technischen Möglichkeiten zur Diagnostik der opportunistischen Infektionen noch sehr begrenzt. Mehr Informationen zur AIDS-Station...

Qualitätssicherung

Projektbegleitend werden die Prozesse dokumentiert und ausgewertet. Die (Teil-)Ergebnisse werden im Team diskutiert und in die Planungen aufgenommen.

Die Datensammlung erfolgt mithilfe teilstandardisierter Protokolle und teilstrukturierter Experteninterviews in Berlin und in Donetsk. Zur Methodentriangulation werden auch teilnehmenden Beobachtungen einbezogen.

Zudem wird ein Fragebogen für das AIDS-Zentrum erstellt. Ziel ist es in regelmäßigen Abständen, Informationen über die epidemiologischen Entwicklungen der HIV-Epidemie, über personelle Ressourcen, Untersuchungsmethoden und Erkrankungsspektren zu bekommen.

Jeweils am Jahresende wird neben der Auswertung der Protokolle eine Diskussion in Form einer Expertenrunde stattfinden. Die Leitfragen orientieren sich an den international anerkannten Evaluationskriterien des Entwicklungshilfeausschusses (DAC) der OECD:
Effektivität, Effizienz, Relevanz, Nachhaltigkeit, Impact, Einfluss auf Rahmenbedingungen, Capacity Development und Partizipation.

In der Phase der Projektimplementierung liegt der Fokus demnach auf der qualitativen Evaluation. Demnächst sollen auch quantitative Erhebungen einbezogen werden, um den Impact beurteilen zu können, d.h. das Ausmaß, in dem die Entwicklungsmaßnahme dazu beiträgt, dass die angestrebten (übergeordneten) Ziele erreicht werden und andere indirekte Wirkungen eintreten.

Ausblick

Perspektivisch erscheint es wichtig, neben der nachhaltigen Etablierung der kollegialen Unterstützung des AIDS-Zentrums Donetsk, die Vernetzung zwischen den verschiedenen HIV-Versorgungsstrukturen in der Stadt und dem Bezirk Donetsk zu unterstützen. In diesen Dialog kann das deutsche Team seine langjährigen guten Erfahrungen mit dem "Schöneberger Modell" einbringen, einem beispielhaften Konzept integrierter Versorgung von Menschen mit HIV und AIDS, das in den 1980er Jahren in Berlin entwickelt wurde

Natürlich bestehen schon einige Kooperationen zwischen medizinischen und sozialen Einrichtungen in Donetsk und dem AIDS-Zentrum. Zum Beispiel wird aufgrund der begrenzten technischen Ausstattung des AIDS-Zentrums mit anderen (Gebiets-)Kliniken zusammengearbeitet. Eine weitere Kooperation besteht zwischen der Tbc- und HIV- Versorgung, die getrennte Bereiche im ukrainischen Gesundheitssystem darstellen. Eine - meist multiresistente rezidive - Tuberkuloseerkrankung zählt zu den häufigsten opportunistischen Infektionen bei HIV in der Ukraine. Besonders hier scheint ein Ausbau der Vernetzung dringend nötig.
Das AIDS-Zentrum arbeitet mit dem "Harm-Reduction"-Projekt in Donetsk zusammen (ein narkologisches Dispanser mit Lizenz für Substitution). Substitution kann in der Ukraine zur Zeit nur als Modellprojekt mit sehr begrenzten Kapazitäten durchgeführt werden.
Das Angebot sozialer Unterstützung für Menschen mit HIV und AIDS gewährleistet das AIDS-Zentrum mit einer eigenen Selbsthilfegruppe sowie in Zusammenarbeit mit anderen Selbsthilfeprojekten in Donetsk und Umgebung (z.B. Svitanok). Selbsthilfe bedeutet in der Ukraine vor allem finanzielle und rechtliche und weniger psychologische oder psychiatrische Unterstützung. Eine Ausbildung zur Sozialarbeit gibt es (noch) nicht, sodass Fortbildungen in diesem Bereich nötig sind.

Nicht nur diese bestehenden Vernetzungen können bei aufkommenden Fragen unterstützt werden. Es können auch neue Versorgungsangebote aufgezeigt werden, mit denen in West-Europa gute Erfahrungen gemacht wurden: mit ambulanter Pflege und der Hospizarbeit. Beide stellen in der ukrainischen Versorgung neue Wege dar. Vorreiter ist die CARITAS Ukraine, mit der im Pflegeprogramm "Nadeshda" bereits erfolgreich zusammengearbeitet wird. Mehr Informationen zum Pflegeprogramm...

Last but not least wird die Zusammenarbeit mit dem Students Health Dialoque (SHD) weiter ausgebaut, der die zur Eindämmung der HIV-Epidemie nötige Prävention der Allgemeinbevölkerung unterstützt. Mehr Informationen zum SHD...

29.03.2008 | Kategorie:

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